18. Juli 2022 - Die Verfügbarkeit von kleinräumigen und aktuellen Pendlerverflechtungen sind für politische Entscheidungsfindungen, bis auf kommunale Ebene, von hoher Bedeutung. Aus dem Pendlerverhalten lassen sich beispielsweise Rückschlüsse auf die regionale Verteilung von Arbeitsplätzen und Wohnorten der Arbeitsbevölkerung ziehen, die zu einer laufenden Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur beitragen können. Die amtliche Pendlerrechnung veröffentlicht die dafür notwendigen Daten. Jedoch weist sie Verbesserungspotential im Hinblick auf die zeitliche und räumliche Darstellung der Pendlerverflechtungen von Erwerbstätigen sowie einer fachlichen Erweiterung hinsichtlich der Bildungspendlerinnen und -pendler auf.
Durch die amtliche Pendlerrechnung werden Pendlerverflechtungen regional nur auf Gemeindeebene sowie, aufgrund der dafür notwendigen Daten, zeitverzögert zur Verfügung gestellt. Angesichts des sichtbaren Verbesserungspotential der amtlichen Pendlerrechnung, wurde im Projekt Pendler Mobil in Kooperation mit dem Landesbetrieb Information und Technik Nordrhein-Westfalen (IT.NRW) das Ziel verfolgt, Bereiche zu identifizieren, in denen Mobilfunkdaten zu einer Ergänzung der bisherigen Pendlerrechnung beitragen können. Mobilfunkdaten bieten hierbei eine vielversprechende Datenquelle. Aufgrund der hohen Penetrationsrate von Nutzenden mobiler Endgeräte in der Bevölkerung (siehe Laufende Wirtschaftsrechnung) und der zeitlich und räumlich genauen Zuordnung dieser, lassen sich vielversprechende Fragestellungen zur Mobilität der Bevölkerung betrachten. Anhand von Quelle-Ziel-Matrizen wurde untersucht, ob Mobilfunkdaten genutzt werden können, um Pendlerströme in Nordrhein-Westfalen im Tagesverlauf abzubilden. Ein weiteres Untersuchungsziel widmete sich der Frage, ob und inwieweit die aktuelle Pendlerrechnung mittels Mobilfunkdaten auf kleinräumiger Ebene ergänzt werden kann. Die Pendlerrechnung von IT.NRW diente hierbei als Vergleich, um die Repräsentativität der Daten zu überprüfen.
Im Ergebnis können die vorliegenden Mobilfunkdaten die amtliche Pendlerrechnung durch kleinräumige Pendlerbewegungen in Städten in Form einer erweiterten Zielorts-Bestimmung potentiell unterstützen. Dadurch werden neue Eindrücke zu den Arbeitsmarktregionen eröffnet und die Identifizierung von stark frequentierten städtischen Bereichen ermöglicht. Allerdings wurde festgestellt, dass sich insgesamt noch deutliche Unterschiede zwischen der Anzahl sowie einer flächendeckenden Wiedergabe der Pendlerströme aus den vorliegenden Mobilfunkdaten und der Pendlerrechnung von IT.NRW bestehen, die sich vor allem auf regionaler Ebene stark auswirken.
Mögliche Gründe für die Unter- oder auch Überschätzungen der Pendlerverflechtungen liegen unter anderem in den Filterkriterien und Aufbereitungsprozessen der Mobilfunkdaten, die zur Aufgabe haben, nur Berufspendler aus den Mobilfunkdaten zu extrahieren. Hierbei wird jedoch ein Zielkonflikt zwischen der Genauigkeit der Abgrenzung von Bewegungsverflechtungen bestimmter Zielgruppen und dem Informationsgehalt in den Mobilfunkdaten provoziert. Besonders die Unterschätzung der mobilen Pendlerströme im Vergleich zur amtlichen Pendlerrechnung legt nahe, Modifizierungsansätze der Mobilfunkdaten zu diskutieren.
Mögliche Lösungsansätze für eine Verbesserung der Ergebnisse oder auch zielführendere Resultate finden sich daher einerseits in einer Neuformulierung der Filterkriterien oder auch in der Einbindung einer geografischen Selektion zur Extraktion bestimmter Zielgruppen. Zudem bedarf es einer methodischen Änderung bzw. Weiterentwicklung der Extrapolation bei den Datenanbietern nach Subgruppen, welche eine Kalibrierung der Werte in den Mobilfunkdaten nach ausgewählten Zielgruppen zum Ziel hat. Weitere Informationen und detaillierte Ergebnisse sind in Hadam (2021) ausgeführt.
Literatur
Hadam, S. (2021) Pendler Mobil: Die Verwendung von Mobilfunkdaten zur Unterstützung der amtlichen Pendlerstatistik. AStA Wirtschafts- und Sozialstatistisches Archiv 15, 197–235 DOI-Fundstelle