Hauptstadtkommunikation Interview mit Dr. Antje Krüger, Leiterin der Abteilung "Digitalisierung und Digitale Dienste" im Statistischen Bundesamt

Das Statistische Bundesamt hat seit kurzem eine neue Abteilungsleiterin im Bereich Digitalisierung und digitale Dienste. Im Interview erzählt Dr. Antje Krüger über Ihren ersten Einsatz als IT-technische Verantwortliche bei der Europawahl 2024, über die Nutzung von Cloud Technologien, der Etablierung eines Data Warehouse sowie den Einsatz von Künstlicher Intelligenz im Statistischen Bundesamt. Außerdem erfahren Sie, welche Pläne Frau Dr. Krüger für die Rekrutierung von IT-Nachwuchskräften hat und was sie darüber von ihren eigenen Kindern gelernt hat.

Sie leiten seit kurzem die Abteilung "Digitalisierung und Digitale Dienste" im Statistischen Bundesamt. Es war ja gleich ein Sprung ins tiefe Wasser: in den ersten Wochen waren Sie für die IT-technische Betreuung einer Europawahl verantwortlich – wie ist der Einstieg aus Ihrer Sicht verlaufen?

Dr. Antje Krüger: Ich bin immer noch sehr berührt davon, wie herzlich und professionell ich vom ersten Tag an begrüßt und aufgenommen wurde. Dass ich gleich zu Beginn die Durchführung der Europawahl und damit einen der Grundpfeiler unserer Demokratie begleiten durfte, war eine sehr bereichernde Erfahrung. In diesen Momenten erlebe ich besonders deutlich, welche gesellschaftliche Bedeutung mein Arbeitsplatz hat. Besonders beindruckt hat mich hier die intensive, interdisziplinäre Teamzusammenarbeit. Ich freue mich sehr, dass ich Teil eines solchen Teams sein darf.

Sie bringen von IT-NRW viel Erfahrung im Bereich IT / Digitalisierung mit. Wie schätzen Sie den Einsatz von Cloud Lösungen im öffentlichen Dienst ein? Welchen Weg beschreiten wir da als Amt?

Dr. Antje Krüger: Die nationalen und globalen Krisensituationen in den vergangenen Jahren haben die Informationsbedarfe von Gesellschaft, Wirtschaft und Politik verändert: Umfassendere, aktuellere und verknüpfte Informationen werden benötigt, um angesichts der sich schnell entwickelnden Situationen adäquat handeln zu können. Hierfür benötigt das Statistische Bundesamt eine IT, die bezüglich Flexibilität und Geschwindigkeit mit dieser Entwicklung Schritt halten kann. Die Bereitstellung geeigneter Softwaresysteme einschließlich der zugrundeliegenden Infrastruktur muss leichtgewichtiger und somit schneller werden.
Der Einsatz von Cloud Technologien eröffnet ganz neue Möglichkeiten für die Bereitstellung und Skalierung von IT Services, die mit klassischen Infrastrukturen so nicht möglich wären. Dies betrifft beispielsweise die Verarbeitung sehr großer Datenmengen (Big Data), die Nutzung von rechenintensiven neuen Algorithmen (KI/ML) und die Implementierung eines integrierten Datenmanagements als Grundlage für verbesserte Analysefähigkeit.
Mit der Deutschen Verwaltungscloud entsteht eine interoperable und modulare Cloudinfrastruktur. Hier können künftig IT-Services bezogen werden, die verwaltungsebenenübergreifend nutzbar sind. Dies wird unsere Zusammenarbeit im Statistischen Verbund enorm erleichtern.
Um die Vorteile von Cloud Lösungen nutzbar zu machen, hat sich das Statistische Bundesamt eine Cloudstrategie gegeben, welche die Vision einer hybriden Cloudinfrastruktur aus Private-, Community-, Sovereign- und Public-Cloud-Angeboten skizziert, die den klassischen Serverbetrieb soweit wie möglich ersetzt. Diese Cloudstrategie legt den Rahmen fest, innerhalb dessen sich der Wandel der IT-Betriebsinfrastruktur in den kommenden Jahren vollziehen wird.

Im Bund ist derzeit das Onlinezugangsänderungsgesetz (OZG 2.0) ein viel diskutiertes Thema. Welche Schnittmengen sehen Sie zum Statistischen Bundesamt? Welche Rolle spielen wir bei der Modernisierung der Verwaltung?

Dr. Antje Krüger: In Bezug auf einen "Onlinezugang zu Verwaltungsdienstleistungen" ist die amtliche Statistik seit Jahren Vorreiter. Schon lange vor dem OZG konnte man seine Daten über Onlineportale melden (IDEV) oder voll automatisiert über eine Datenschnittstelle (.Core) abgeben. Auch unsere Datenprodukte können online abgerufen werden. Natürlich gibt es hier Modernisierungsbedarf und wir müssen unsere Dienstleistungen stetig weiterentwickeln. Dennoch bin ich ein bisschen stolz auf diesen Punkt.
Auch bei der föderalen Zusammenarbeit sind wir in der amtlichen Statistik vorangegangen und praktizieren seit Jahren erfolgreich das EfA-Prinzip im Statistischen Verbund.
Mit der fortschreitenden Digitalisierung von Verwaltungsverfahren werden immer mehr Verwaltungsdaten aus diesen Prozessen elektronisch vorliegen. Dies wird auch die Erstellung von Statistiken gerade in diesem Bereich verändern und vereinfachen.

Wir möchten im Statistischen Verbund mit den Landesämtern die Datenhaltung und das Datenmanagement neu aufstellen. Geplant ist ein neues Data Warehouse. Wohin geht da die Reise?

Dr. Antje Krüger: Wir haben aktuell die Situation, dass unser Datenschatz, unsere plausibilisierten Einzeldaten, sehr verteilt je nach Fachverfahren in Fachdatenbanken oder auch als Einzelmaterialien, in den einzelnen Auswertungswerkzeugen gehalten werden. Regional tief gegliederte Daten sind zudem über die Statistischen Ämter verteilt. Mit dem neuen Data Warehouse wird der Zugang und der Überblick über die produzierten Datenbestände sichergestellt – durch eine Verwaltung nach einheitlichen Strukturierungskriterien sowie eine Dokumentation anhand vereinheitlichter Metadaten. Damit werden verteilte Auswertungen und Analysen im Verbund erheblich beschleunigt. Statistikübergreifende Auswertungen und Analysen zur Deckung kurzfristiger Informationsbedarfe werden ermöglicht. Der Datenzugriff auf alle Daten der amtlichen Statistik soll dann generisch und flexibel für alle Ämter und mit verschiedenen Auswertungswerkzeugen möglich sein. Mit dem neuen Data Warehouse heben wir das Analysepotential unserer Daten im Verbund.

Welche Rolle spielt Künstliche Intelligenz schon jetzt bei uns im Statistischen Bundesamt und was wird die Zukunft hier bringen?

Dr. Antje Krüger: Mir ist es immer sehr wichtig, darauf zu schauen, welchen konkreten Nutzen ich aus einer neuen Technologie ziehen kann. Das erfordert ein Experimentieren und Ausprobieren mit Hilfe geeigneter Piloten. KI/ML-Verfahren können an verschiedenen Stellen in der Prozessautomatisierung hilfreich sein, gerade bei sehr großen Datenmengen. Beispielhaft sei hier genannt: das Korrigieren und Signieren von Meldungen, die Analyse von Ausreißern, aber auch Abgleiche von textuellen Beschreibungen und Adressen. Nicht zuletzt kann ich mir auch sehr gut einen hilfreichen Einsatz von Chatbots zur Erhebungsunterstützung oder KI-gestützte Erstellung von Programmkomponenten vorstellen. Auf der anderen Seite muss man allerdings auch in Betracht ziehen, mit welchem Erfahrungswissen die KI-Methoden trainiert wurden um die Gefahr, dass mit KI Stereotype reproduziert werden, nicht aus dem Auge zu verlieren.

IT-Nachwuchskräfte sind sehr begehrt im Moment. Was macht uns aus Ihrer Sicht für die Talente von morgen interessant?

Dr. Antje Krüger: Ich habe selber drei inzwischen erwachsene Kinder, von denen zwei bereits fest im Berufsleben stehen. Da gab es viele Gespräche über Interessen, Fähigkeiten und wie man denn nun einen passenden Beruf findet.
Aus diesen Gesprächen habe ich drei Punkte mitgenommen. Zum ersten suchen junge Menschen einen Beruf mit Sinn, in dem sie sinnstiftende Ergebnisse schaffen, die für die Gesellschaft relevant sind.
Zweitens sind junge Menschen kommunikativ ganz anders unterwegs und müssen auch anders angesprochen werden. Unser Bekanntheitsgrad als Produzent unabhängiger Daten ist gerade in dieser Zielgruppe noch ausbaufähig.
Und nicht zuletzt möchten junge Menschen gerne in einem modernen Arbeitsumfeld in einem tollen Team mit Entfaltungsmöglichkeiten und Eigenverantwortung arbeiten.
Ich habe in meinem Berufsleben schon mehrfach erfahren dürfen, welche Bindungskraft gerade der letzte Punkt entfaltet. Ich möchte daher gerne die IT-Ausbildung ausbauen und beispielsweise um Praktikumsmöglichkeiten ergänzen, um die jungen IT-Talente möglichst früh für uns zu begeistern. Ich setze darauf, dass wir durch guten Teamspirit und spannende, sinnstiftende Aufgaben diese Talente dann langfristig an uns binden und entwickeln können, um gemeinsam zu wachsen.

Vielen Dank für das Interview!