Die Abteilung I "Verwaltungsregister, Dienstleistungszentrum für Bessere Rechtsetzung" im Statistischen Bundesamt setzt den Fokus auf Registermodernisierung, Verwaltungsdigitalisierung und Bürokratieabbau. Im Interview erzählt die Abteilungsleiterin, Dr. Angelika Sporenberg, warum Register eine zunehmend wichtige Rolle für die amtliche Statistik spielen, auch im Zusammenhang mit dem Zensus 2031, und für welche verschiedenen Register ihre Abteilung verantwortlich ist. Außerdem erfahren Sie, wie die Daten des Statistischen Bundesamtes zur Bürokratieentlastung für Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen beitragen und was die sogenannte Lebenslagenbefragung ist.
Frau Sporenberg, Sie leiten eine Abteilung, die im Statistischen Bundesamt vor einigen Jahren neu geschaffen wurde. Namensgebend ist für die Abteilung I neben der Bürokratiekostenmessung das Thema Verwaltungsregister. Warum spielen Register für die amtliche Statistik eine zunehmend wichtige Rolle?
Dr. Sporenberg: Register und sonstige Verwaltungsdaten bergen enorme Potenziale für die amtliche Statistik. Durch ihre gezielte Nutzung können neue Analysemöglichkeiten geschaffen und die Datensparsamkeit gesichert werden – ohne dabei Kompromisse hinsichtlich der Qualität der Statistiken eingehen zu müssen. Gleichzeitig können Erhebungsprozesse effizienter gestaltet werden. Das entlastet sowohl die Auskunftsgebenden als auch die Erhebenden.
Wichtig zu betonen ist, dass der Informationsfluss nur von Verwaltungsregistern in Richtung der amtlichen Statistik gehen darf – niemals umgekehrt: dies gebietet der Grundsatz der Trennung und Abschottung der amtlichen Statistik von Aufgaben der Verwaltungsregister. Im Statistischen Bundesamt stellen wir dies durch geeignete organisatorische, personelle und technische Maßnahmen sicher, eine davon ist die Fokussierung der Verwaltungsregister in Abteilung I.
Diese Fokussierung ermöglicht es unserem Amt, auch neue Aufgaben in diesem Bereich zu übernehmen und unser Ziel umfassender und faktenbasierter Datendienstleister des Bundes zu werden, weiter zu verfolgen. Als registerführende Behörde für das im Aufbau befindliche Basisregister für Unternehmen und das Bewacherregister leisten wir bereits heute einen zentralen Beitrag für eine moderne und digitale Registerlandschaft.
Das Statistische Bundesamt hat eine Verwaltungsdateninformationsplattform – kurz VIP – aufgebaut. Worum geht es da und warum ist das für die Modernisierung der Verwaltung so wichtig?
Dr. Sporenberg: Die Verwaltungsdaten-Informationsplattform (VIP) ist die erste Übersicht über die deutsche Register- und Verwaltungsdaten-Landschaft. Sie bietet nicht nur organisatorische und technische Hintergründe über die Register selbst, sondern liefert durch die vorhandenen Metadaten (zum Beispiel Beschreibung der Inhalte, Hintergründe und Ausprägungen) einen immensen Beitrag zur Modernisierung und zum "Ist-Zustand" der Verwaltungsdigitalisierung in Deutschland. Für die amtliche Statistik ist die VIP darüber hinaus Nachschlagewerk und -plattform zum Austausch über potenzielle Quellen und die Nutzbarkeit der vorhandenen Merkmale. Die Bedeutung der VIP für die amtliche Statistik zeigt sich auch durch die Verankerung im Bundestatistikgesetz, wonach für alle Anordnungen und Änderungen von beziehungsweise bei Bundesstatistiken zunächst bei der VIP gegebenenfalls vorhandene Datenbestände zu prüfen sind.
Die VIP dient der Förderung des "Once-Only"-Prinzips, indem sie transparent macht, in welchen Registern welche Daten bereits vorliegen und nutzbar gemacht werden können. Hierdurch sollen Aufwände für Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen im Kontakt mit deutschen Verwaltungsbehörden reduziert werden. So können vorliegende Informationen systematisch für weitere Verwaltungsprozesse genutzt werden. Das Vorantreiben des Austauschs dezentral vorliegender Verwaltungsdaten ist für uns im Statistischen Bundesamt eine strategisch relevante Perspektive.
Eine Hauptaufgabe ihrer Abteilung ist derzeit der Aufbau, Betrieb und die Weiterentwicklung des Basisregisters für Unternehmen: Welche Vision ist mit diesem Register verbunden?
Dr. Sporenberg: Das Ziel der Bundesregierung in der Kommunikation zwischen Unternehmen und Verwaltung ist das Once-Only-Prinzip. Das heißt, bereits vorhandene Daten sollen von den Unternehmen nicht mehrfach geliefert, sondern verwaltungsintern ausgetauscht werden. Bei über 120 Registern mit Unternehmensbezug soll der Aufwand für ein Unternehmen beispielsweise eine einfache Adressänderung zu melden, künftig erheblich reduziert werden. Das Basisregister kann aktuelle und qualitätsgesicherte Stammdaten zu jedem Unternehmen in Deutschland liefern. Langfristig kann so zum Beispiel die einmalige Meldung geänderter Adressdaten ausreichen, um die Information sofort für alle Verwaltungsstellen verfügbar zu machen.
Eine der größten Herausforderungen hierbei ist die Identifikation von Unternehmen, damit zwei Verwaltungsstellen beim Datenaustausch auch sicher sein können, dass sie dasselbe Unternehmen meinen. Genau dafür stellt das Basisregister die bundeseinheitliche Wirtschaftsnummer bereit, die als eineindeutiger Unternehmensidentifikator perspektivisch von allen Verwaltungsstellen genutzt werden kann.
Das Statistische Bundesamt ist seit einigen Jahren auch für das Bewacherregister zuständig. Können Sie kurz erläutern wofür dieses Register genutzt wird?
Dr. Sporenberg: Seit Oktober 2022 ist das Statistische Bundesamt die Registerbehörde für das Bewacherregister (BWR). Das BWR ist ein digitaler Verwaltungsservice und das erste aktive Verwaltungsregister in Abteilung I. Es unterstützt die Gewerbeaufsichts- und Ordnungsämter in ganz Deutschland bei ihren Verwaltungsaufgaben. Dafür ermöglicht das BWR einen Echtzeitzugriff auf den aktuellen Stand der in Deutschland tätigen Sicherheitsunternehmen sowie auf das eingesetzte Sicherheitspersonal. So konnten zum Beispiel bei der Fußballeuropameisterschaft 2024 in Deutschland bei Vor-Ort-Kontrollen über mobile Endgeräte die Qualifikation und Zuverlässigkeit des eingesetzten Personals abgefragt werden.
Welches Gewicht haben die Daten des Statistischen Bundesamtes bei den Diskussionen über die Senkung von Bürokratiekosten? Hat die Erfassung der Aufwände dazu beigetragen, die Bürokratielast insgesamt zu senken?
Dr. Sporenberg: Unsere Daten bilden seit 2006 die Grundlage für eine faktenbasierte Diskussion über Bürokratie: Damals setzte sich die Bundesregierung zum Ziel, die Bürokratiekosten, die der Wirtschaft durch die Befolgung bundesrechtlicher Regelungen entstehen, systematisch zu erheben und im nächsten Schritt um 25 Prozent zu reduzieren. Dafür waren unsere Zahlen zu bürokratischen Aufwänden unverzichtbar, die wir im Auftrag der Bundesregierung erhoben und so eine Datenbasis aufgebaut haben, die wir seitdem fortschreiben. Der von uns seit 2012 veröffentlichte Bürokratiekostenindex (BKI) zeigt, wie sich der Bürokratieaufwand der Wirtschaft in Deutschland als Folge des unmittelbaren Regierungshandelns – also der gesetzgeberischen Aktivitäten – entwickelt. Seit seinem Start bei 100 Punkten ist der BKI bis zum aktuellen Stand Ende Juni 2024 auf unter 95 Punkte gesunken. Dabei ist wichtig zu betonen, dass der Index auf dem Niveau des damaligen 25-Prozent-Abbauziels beginnt. Dieser Stand konnte also seit gut 12 Jahren nicht nur gehalten, sondern sogar weiter reduziert werden. Auch das lässt sich nur anhand unserer Zahlen nachvollziehen, da es keine vergleichbare Datenquelle in Deutschland gibt.
Neben den Unternehmen sind aber auch Bürgerinnen und Bürger sowie die Verwaltung durch Bürokratie belastet. Daher muss die Bundesregierung bei allen Gesetz- und Verordnungsentwürfen bereits angeben, wie sich diese auf den bürokratischen Aufwand der Betroffenen auswirken werden. Auch hierbei unterstützen wir mit Erhebungen und Einschätzungen sowie unserer Online-Datenbank des Erfüllungsaufwands. Sie umfasst Angaben zu den Aufwänden von mehr als 28 000 rechtlichen Vorgaben. Eine unverzichtbare Quelle für politische Entscheidungsträgerinnen und -träger und damit – wie die Fachstatistiken des Statistischen Bundesamtes – ein wichtiger Beitrag für eine evidenzbasierte Politik.
Seit 2015 führt das Statistische Bundesamt im Auftrag der Bundesregierung alle zwei Jahre die Lebenslagenbefragung durch, in der die Zufriedenheit mit behördlichen Dienstleistungen erfragt wird. Welche Erkenntnisse hat man da in den letzten Jahren gewonnen?
Dr. Sporenberg: Die Lebenslagenbefragung zeigt, dass sowohl Bürgerinnen und Bürger als auch Unternehmen in Deutschland insgesamt mit den Dienstleistungen von Behörden überwiegend zufrieden sind – und das relativ stabil seit unserer ersten Erhebung 2015. Die Zufriedenheit hängt aber durchaus davon ab, in welcher Lebenslage jemand mit den Behörden in Kontakt tritt: Beispielsweise waren die Bürgerinnen und Bürger überdurchschnittlich zufrieden, wenn sie Ausweisdokumente beantragten, aber unterdurchschnittlich zufrieden mit dem Behördenkontakt bei einer Scheidung. Unternehmen waren mit den behördlichen Dienstleistungen im Rahmen der Ausbildung überdurchschnittlich, beim Bau einer Betriebsstätte dagegen unterdurchschnittlich zufrieden.
Unsere Daten zeigen auch Entwicklungen: Während die meisten Lebenslagen stabile Zufriedenheitswerte aufweisen, zeigt sich bei der Steuererklärung eine deutliche Veränderung. Seit Aufnahme dieser Lebenslage in die Befragung 2017 waren die Bürgerinnen und Bürger mit den behördlichen Dienstleistungen bei Steuererklärungen stets in etwa durchschnittlich zufrieden. In der aktuellen Befragung von 2023 fiel die Zufriedenheit unterdurchschnittlich aus, wofür hauptsächlich die Grundsteuererklärung verantwortlich ist.
Es zeigte sich, dass Bürgerinnen und Bürger mit dem Grad der Unbestechlichkeit und Diskriminierungsfreiheit des Behördenpersonals besonders zufrieden waren. Am wenigsten zufrieden waren sie mit den Öffnungs- und Wartezeiten in den Behörden, den Online-Angeboten und der Verständlichkeit der Gesetzestexte zur Dienstleistung. Unsere Erkenntnisse zeigen also sowohl gelungenes Behördenhandeln als auch Verbesserungsbedarf. Die Bundesregierung kann so mit unserer Unterstützung und in Zusammenarbeit mit Fachleuten und Betroffenen Defizite und Potenziale aufdecken.
Abschließend und mit Blick in die Zukunft: Die Ergebnisse des Zensus 2022 liegen nun vor. Der nächste Zensus soll 2031 durchgeführt werden. Welche Rolle spielen Registerdaten in diesem Zusammenhang?
Dr. Sporenberg: Die Durchführung des Zensus ist eine klassische Aufgabe der Statistik. Sie wird entsprechend organisatorisch, technisch und personell in der Abteilung F "Bevölkerung" bearbeitet.
Registerdaten, zum Beispiel aus dem Melderegistern, spielten schon beim Zensus 2022 eine zentrale Rolle. Im Bestreben, die Ergebnisse des Zensus zukünftig häufiger, aktueller und tiefer regional untergliedert bereitzustellen, wird die Bedeutung von Registerdaten weiter zunehmen. Mit dem bisherigen registergestützten Ansatz lassen sich die steigenden Anforderungen der Datennutzerinnen und -nutzer nicht mehr erfüllen. Daher soll der Zensus schrittweise zu einem registerbasierten Verfahren weiterentwickelt werden. Das bedeutet konkret: Die Daten sollen so weit wie möglich aus vorhandenen Quellen der Verwaltung und Statistik gewonnen, automatisiert zusammengeführt sowie aufbereitet werden.
Benötigte Informationen sollen - dem Once-Only-Prinzip entsprechend - nur bei den Bürgerinnen und Bürgern abgefragt werden, wenn sie nicht beziehungsweise nicht in ausreichender Qualität oder Detailtiefe bereits in der Verwaltung oder Statistik vorliegen.
Vielen Dank für das Interview!