Veranstaltungen Fachtagung des Fachausschusses Erwerbstätigkeit/Arbeitsmarkt am 1. und 2. Oktober 2024

Arbeitsmarkt und Demografischer Wandel – Empirische Befunde und Forschung zum Fachkräftebedarf

Frauen, Nichtdeutsche und Bildungserfolg: Wie Substitution von Care-Arbeit und erhöhter Bildungserfolg die Erwerbspotenziale hebt

Jonas Krinitz, Gesellschaft für Wirtschaftliche Strukturforschung (GWS),
Michael Kalinowski, Tobias Maier, Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB)

Abstract

Der deutsche Arbeitsmarkt steht gegenwärtig vor erheblichen Herausforderungen durch Fachkräfteengpässe, deren Auswirkungen die sozialökologische Transformation der Wirtschaft beeinträchtigen und das Erreichen der Klimaziele 2045 in Gefahr bringen könnten. Die Erhöhung des Fachkräfteangebots ist daher von entscheidender Bedeutung.

Erwerbsquoten von sowohl Frauen als auch Nichtdeutschen sind schwächer als die von Männern und Deutschen. Hierbei sind insbesondere nichtdeutsche Frauen unterdurchschnittlich am Erwerbsleben beteiligt. Aus der Zeiterfassungsstatistik sind die Gründe für die geringere Erwerbsbeteiligung insbesondere die unentgeltliche Pflege- und Erziehungsarbeit. Um das Ausmaß der Arbeitsmarktpotenziale dieser Gruppen abzuschätzen, werden nicht bloß die Erwerbsquoten dieser Gruppen angehoben, sondern auch die Kompensationsnachfrage der ab dann zu ersetzenden Care-Arbeit mitbetrachtet. Daraus ergibt sich ein neues Arbeitsangebot und eine veränderte Nachfrage, insbesondere nach Pflege- und Erziehungsberufen.

Ein weiterer beträchtlicher Teil der jungen Erwachsenen in Deutschland zwischen 20 und 34 Jahren hat derzeit keine abgeschlossene Ausbildung, dies wirkt sich negativ auf ihre berufliche Laufbahn aus. Personen ohne formale Qualifikation sind häufiger von (Langzeit-) Arbeitslosigkeit betroffen und verdienen im Durchschnitt weniger als Personen mit Berufsabschluss. Darüber hinaus sind sie im Alter häufiger von Armut bedroht. Angesichts des demografischen Wandels besteht zudem ein dringender Bedarf an mehr Fachkräften.

Dieser Beitrag fokussiert sich auf die Erschließung des inländischen Fachkräftepotenzials unter Berücksichtigung von Geschlecht und Staatsangehörigkeit. Die Ergebnisse zeigen, dass es aus der Bevölkerung heraus hohe Potenziale gibt die (qualifizierte) Erwerbstätigkeit zu steigern. Dabei kann im Szenario der erhöhten Erwerbsquoten der Frauen und Nichtdeutschen die Anzahl der Erwerbspersonen im Jahr 2027 um jeweils 1 Mio. und 900 Tsd. und vor allem auch langfristig um 840 Tsd. und 1,2 Mio. erhöht werden. Infolgedessen steigt die Erwerbstätigkeit um zwischen 60% und 80% der zusätzlichen Erwerbspersonen an. Ein Teil der höheren Nachfrage entfällt auf Berufe aus den Care-Arbeit substituierenden Branchen. Der überwiegende Anteil kann jedoch Fachkräftelücken in anderen Branchen entgegenwirken.

In einem weiteren Szenario wird aufgezeigt, dass durch Bildungserfolg im Jahr 2040 zusätzliche 1,1 Millionen Fachkräfte dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen könnten. Dies könnte erreicht werden, indem die höchste Erfolgsquote der deutschen Schülerinnen und Schüler der letzten 20 Jahre in den beruflichen Bildungsstätten erreicht und die Abbruchquoten in den Hochschulen halbiert werden. Besonders vielversprechend sind die Potenziale bei Jugendlichen nichtdeutscher Nationalität, deren Abbruchquoten in allen Bildungsstätten höher sind, aber deren Anteil am Arbeitsmarkt voraussichtlich zunehmen wird.

Diese Erkenntnisse betonen die dringende Notwendigkeit, Betreuungsmaßnahmen anzubieten, die es ermöglichen einer Erwerbstätigkeit nachzugehen und die Ausbildungsqualität zu verbessern, um somit den zukünftigen Fachkräftebedarf zu decken, insbesondere vor dem Hintergrund der zu erwartenden Zuwanderungsgewinne.