Presse 1. Halbjahr 2020: Ausgesetzte Antragspflicht führt zu weniger gemeldeten Unternehmensinsolvenzen als im Vorjahreszeitraum

Pressemitteilung Nr. 348 vom 10. September 2020

  • 6,2 % weniger gemeldete Unternehmensinsolvenzen als im 1. Halbjahr 2019
  • Vorläufige Angaben für August 2020: 38,9 % weniger eröffnete Regelinsolvenzverfahren als im August 2019 

WIESBADEN – Im 1. Halbjahr 2020 meldeten die deutschen Amtsgerichte 9 006 Unternehmensinsolvenzen. Das waren nach Angaben des Statistischen Bundesamtes (Destatis) 6,2 % weniger als im 1. Halbjahr 2019. Die wirtschaftliche Not vieler Unternehmen durch die Corona-Krise spiegelt sich somit bislang nicht in einem Anstieg der gemeldeten Unternehmensinsolvenzen wider. Ein Grund dafür ist, dass die Insolvenzantragspflicht für Unternehmen seit dem 1. März 2020 ausgesetzt ist. 

Die meisten Unternehmensinsolvenzen gab es im 1. Halbjahr 2020 im Wirtschaftsbereich Handel (einschließlich Instandhaltung und Reparatur von Kraftfahrzeugen) mit 1 485 Fällen (1. Halbjahr 2019: 1 653). Unternehmen des Baugewerbes stellten 1 462 Insolvenzanträge (1. Halbjahr 2019: 1 586). Im Gastgewerbe wurden 1 004 (1. Halbjahr 2019: 1 143) und im Bereich der freiberuflichen, wissenschaftlichen und technischen Dienstleistungen wurden 974 (1. Halbjahr 2019: 1 032) Insolvenzanträge gemeldet. 

Die voraussichtlichen Forderungen der Gläubiger aus beantragten Unternehmensinsolvenzen stiegen nach Angaben der Amtsgerichte im 1. Halbjahr 2020 deutlich auf 16,7 Milliarden Euro. Im 1. Halbjahr 2019 hatten sie noch bei 10,2 Milliarden Euro gelegen. Dieser Anstieg der Forderungen bei gleichzeitigem Rückgang der Zahl der Unternehmensinsolvenzen ist darauf zurückzuführen, dass im 1. Halbjahr 2020 mehr wirtschaftlich bedeutende Unternehmen Insolvenz beantragt hatten als im selben Zeitraum 2019. 

Neben den Unternehmensinsolvenzen meldeten 38 680 übrige Schuldner im 1. Halbjahr 2020 Insolvenz an. Das waren 11,8 % weniger als im Vorjahreszeitraum. Darunter waren 27 992 Insolvenzanträge von Verbraucherinnen und Verbrauchern (-14,5 % gegenüber dem 1. Halbjahr 2019) sowie 8 729 Insolvenzanträge von ehemals selbstständig Tätigen. 

Der große Rückgang an Insolvenzanträgen von Verbraucherinnen und Verbrauchern erklärt sich zum einen durch den eingeschränkten Betrieb der zuständigen Insolvenzgerichte während der Corona-Pandemie und einer damit verlängerten Bearbeitungszeit. Zum anderen haben Verbraucherinnen und Verbraucher vermutlich den Zeitpunkt ihres Insolvenzantrages aufgrund der Corona-Pandemie zeitlich nach hinten verschoben. 

August 2020: Trend hält an – Deutlich weniger eröffnete Regelinsolvenzverfahren als im Vorjahr 

Auch für den August 2020 zeigen die vorläufigen Angaben zu den eröffneten Regelinsolvenzen wie bereits in den vorangegangenen Monaten eine deutliche Abnahme an Verfahren. Im Vergleich zum August 2019 sank die Zahl der eröffneten Regelinsolvenzverfahren um 38,9 %. Diese vorläufigen Angaben veröffentlicht das Statistische Bundesamt seit dem Berichtsmonat März 2020, um die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie frühzeitig abzubilden.

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Hinweise zu Regelinsolvenzverfahren:

Unternehmen, deren Insolvenzreife (Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung) auf den Auswirkungen der Corona-Pandemie beruht und die Aussichten darauf haben, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen, sind nach dem „Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Corona-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht“ vom 27. März 2020 von der Insolvenzantragspflicht befreit. Auch bei Insolvenzanträgen, die von Gläubigerseite gestellt werden, wird in diesem Gesetz vorausgesetzt, dass der Eröffnungsgrund bereits am 1. März 2020, also vor der Corona-Pandemie, vorlag. 

Von den Insolvenzverfahren in Deutschland sind 30 % Regelinsolvenzverfahren, zu denen in erster Linie alle Verfahren von Unternehmen zählen (rund 55 %). Enthalten sind weiterhin Personen, die wirtschaftlich tätig sind. Dazu gehören unter anderem die persönlich haftenden Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft (oHG), Mehrheitsgesellschafter einer Kapitalgesellschaft sowie ehemals selbstständige Tätige, deren Vermögensverhältnisse als nicht überschaubar eingestuft werden.

Methodische Hinweise:

Die vorläufigen monatlichen Angaben, hier für Juli 2020, basieren auf aktuellen Insolvenzbekanntmachungen aller Amtsgerichte in Deutschland. Das Statistische Bundesamt veröffentlicht die Entwicklung der eröffneten Regelinsolvenzverfahren in Deutschland während der Corona-Krise monatlich auf der Corona-Sonderseite des Statistischen Bundesamtes.

Beantragte Unternehmensinsolvenzen nach Wirtschaftszweigen in Deutschland
1. Halbjahr 2020
WirtschaftszweigVerfahren insgesamt
Anzahl
Insgesamt9 006
Land- und Forstwirtschaft, Fischerei57
Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden3
Verarbeitendes Gewerbe812
Energieversorgung42
Wasserversorgung; Abwasser- und Abfallentsorgung und Beseitigung von Umweltverschmutzungen25
Baugewerbe1 462
Handel; Instandhaltung und Reparatur von Kfz1 485
Verkehr und Lagerei652
Gastgewerbe1 004
Information und Kommunikation295
Erbringung von Finanz- und Versicherungsdienstleistungen186
Grundstücks- und Wohnungswesen251
Erbringung von freiberuflichen, wissenschaftlichen und technischen Dienstleistungen974
Erbringung von sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen942
Erziehung und Unterricht90
Gesundheits- und Sozialwesen169
Kunst, Unterhaltung und Erholung178
Sonstige Dienstleistungen379

 

Beantragte Insolvenzverfahren in Deutschland
 1. Halbjahr 2020Juni 2020
AnzahlVeränderung
gegenüber
1. Halbjahr 2019
in %
AnzahlVeränderung
gegenüber
Juni 2019
in %
1 Verbraucher- und Regelinsolvenzverfahren.
Insgesamt47 686-10,88 4773,8
Unternehmen9 006-6,21 354-2,2
Übrige Schuldner38 680-11,87 1235,0
davon:
– Verbraucher27 992-14,55 2795,2
– natürliche Personen als Gesellschafter223-14,63712,1
– ehemals selbstständig Tätige18 729-4,01 448-2,4
– Nachlässe und Gesamtgut1 7360,335946,5

Detaillierte Daten können über die Tabellen 52411 (Insolvenzen) in der Datenbank GENESIS-Online abgerufen werden.

Weitere Ergebnisse und methodische Hinweise bietet die Fachserie 2, Reihe 4.1, die im Themenbereich abrufbar ist.

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